Allgemein galt: Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen (§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz – BurlG) eines Arbeitnehmers verfällt am Ende des Urlaubsjahres. Sollte der Urlaub aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht genommen werden, können diese Urlaubstage auf das nächste Jahr übertragen, jedoch nur bis Ende März genommen werden.
Dies muss nun neu bewertet werden.
Hintergrund
Am 20. Dezember 2022 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die dreijährige Verjährungsfrist des Urlaubsanspruchs erst dann ich Kraft tritt, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist (Az.: 9 AZR 266/20).
Eine Arbeitnehmerin, die vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt war, verklagte im Jahre 2018 ihren Arbeitgeber. Der Beklagte hatte der Klägerin nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs aus den Jahren 2013-2017 nicht vollständig ausgezahlt.
Der Arbeitgeber zahlte lediglich eine Abgeltung von 14 Urlaubstagen in Summe von 3.201,38 Euro brutto, während die Klägerin eine Abgeltung von 101 Urlaubstagen aufgrund der Vorjahre forderte. Der Arbeitgeber berief sich diesbezüglich auf die Verjährung. Es stellte sich jedoch heraus, dass er seinen Mitwirkungs- bzw. vielmehr Hinweispflichten nicht nachgekommen war. In der Folge wurden der Klägerin zunächst durch das Landesarbeitsgericht 17.276,64 Euro brutto mit Blick auf die europäische Rechtsprechung zugesprochen. Daraufhin reichte der Beklagte vor dem Bundesarbeitsgericht die Revision ein - jedoch ohne Erfolg.
Was bedeutet das genau?
In der Konsequent der Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes müssen Arbeitgeber ihre Angestellten aktiv darauf hinweisen, dass ihr Urlaub verfallen kann, wenn dieser nicht rechtzeitig genommen wird. Das BAG begründete das Urteil auf der Grundlage des § 199 Abs. 1 BGB, was bedeutet, dass die Verjährungsfrist für den Urlaubsanspruch nicht zwangsläufig am Ende des Urlaubsjahres, sondern erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den Verfall des Urlaubsanspruchs verwiesen hat. Es blieb in der zitierten Entscheidung jedoch noch offen, wer die Beweislast hinsichtlich des unterbliebenen Hinweises des Arbeitgebers in solchen Fällen trägt. Außerdem ist noch nicht entschieden, ob Arbeitnehmer ihre Abgeltungsansprüche für nicht genommenen Urlaub praktisch noch nach Jahrzehnten geltend machen können.
Dieses Urteil ist kein Einzelfall – Urlaubsabgeltung nach Krankheit?
Bisher verfiel der Urlaubsanspruch des Arbeitsnehmers bei dessen Arbeitsunfähigkeit ohne Ausnahme nach der 15-Monatsfrist. Wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft arbeitsunfähig war und daher keinen Urlaub nehmen konnte, verfiel dieser, selbst wenn der Arbeitgeber einer Hinweispflicht nicht nachgekommen war. In einem weiteren Urteil vom 20. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 245/19) entschied das BAG nun zu Gunsten des Klägers, welcher krankheitsbedingt von Dezember 2014 bis August 2019 arbeitsunfähig erkrankt war und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Nachgang den Anspruch auf die Abgeltung seines Resturlaubs aus dem Jahr 2014 geltend machte. Nach der aktuellen Auffassung des BAG war der beklagte Arbeitgeber seiner Hinweispflicht bis zum 01. Dezember 2014 nicht nachgekommen. Somit ist festzuhalten: Nach krankheitsbedingtem Aussetzen des Arbeitnehmers hat dieser im Fall noch offener Urlaubsansprüche nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dann einen Anspruch auf die nachträgliche Urlaubsabgeltung, wenn er im Urlaubsjahr noch gearbeitet hat und der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.
Berechnung der Urlaubsabgeltung
Bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung wird auf § 11 Abs. 1 BUrlG Bezug genommen. Der durchschnittliche werktägliche Arbeitsverdienst wird anhand der letzten 13 Wochen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses errechnet und mit den noch offenen Urlaubstagen multipliziert.
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Ist der Arbeitnehmer verpflichtet auf Nachrichten des Arbeitgebers während seiner Freizeit zu antworten?
Nein, ist er nicht!
Das entschied jüngste das Landesarbeitsgericht (LAG) in Schleswig- Holstein (vgl.: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022, Az.: 1 Sa 39 öD/22).
„Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in der Freizeit erreichbar sein will oder nicht.“
So begründete das Gericht das Urteil in dem Rechtsstreit zwischen einem Notfallsanitäter und seinem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber abgemahnt, weil er in seiner Freizeit nicht erreichbar gewesen war. Der Arbeitnehmer zog gegen diese Abmahnung vor das Arbeitsgericht und obsiegte nun in zweiter Instanz.
In der Konsequenz gilt danach: Es gilt das Recht auf Nichterreichbarkeit.
Was heißt das genau?
Der Arbeitnehmer muss keine arbeitsbezogenen Tätigkeiten (Anrufe, E-Mails etc.) außerhalb seiner vertraglich geregelten Arbeitszeiten ausüben. Für die, die von diesem Recht konsequent Gebrauch machen, darf es keine arbeitsrechtlichen Folgen geben.
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Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.12.2022 zum Aktenzeichen 9 AZR 266/20 entschieden, und somit die europäische Rechtsprechung bestätigt, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern nur noch verjähren können, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten zuvor auch darauf hingewiesen haben, dass ihnen Urlaub zusteht, der verfallen könnte.
Unterbleibt ein solcher Hinweis, können Urlaubsansprüche aus früheren Jahren fortgesetzt vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden. Auf die übliche 3-jährige Verjährung nach nationalem Recht können sich Arbeitgeber fortan nur noch berufen, wenn ein Hinweis auf einen möglichen Urlaubsverfall tatsächlich erfolgt ist.
Nicht entschieden hat das Bundesarbeitsgericht hingegen, ob für unter Umständen jahrelang zurückliegende Urlaubsansprüche im Nachgang auch Abgeltungsansprüche, sprich die Abgeltung von Urlaubsanspruch in Geld, vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden können.
Es bleibt abzuwarten, ob sich aus dieser Entscheidung perspektivisch eine größere Klagewelle ergibt. Jedenfalls werden künftige arbeitsgerichtliche Verfahren im Kündigungsschutz unweigerlich vermehrt das Thema Urlaub und insoweit noch bestehende Ansprüche zum Thema haben.
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Bisher mussten nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz lediglich Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden. Dies wird sich nun ändern, denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13.09.2022 entschieden: Arbeitgeber sind nun verpflichtet, die komplette Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen.
Mit welcher Begründung wurde das Urteil gefällt?
Das Urteil wurde mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem „Stechuhrurteil“ (Az. C 55/18) des Europäischen Gerichtshofs, am 14.05.2019 begründet. Die Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, ein System einzuführen, welches die Arbeitszeit der Arbeitgeber erfasst. Inken Gallner, Richterin und Präsidentin des höchsten Arbeitsgerichts, bestätigte dies in den Verhandlungen. Man fordert nun, dass sich das Deutsche Arbeitsrecht dem Europäischen Arbeitsrecht anpasst.
Wie ist es dazu gekommen?
Das Urteil wurde gefällt, nachdem eine Klinik in Nordrhein-Westfalen bei einem Betriebsrat, ein Initiativrecht zur Einführung eines Zeiterfassungssystems forderte, dies jedoch scheiterte.
Was folgt nun?
Experten sind der Meinung, dass das BAG-Urteil jetzt große Auswirkungen auf die Vertrauensarbeitszeitmodelle und auch auf das Homeoffice haben wird, da nun mehr Kontrolle nötig ist. Arbeitnehmer müssen zukünftig Arbeitsbeginn und -ende sowie die Pausen dokumentieren.
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Grundlage für jedes Arbeitsverhältnis ist der Arbeitsvertrag. Frisch unterschrieben sind die Weichen für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen den beiden Vertragsparteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber gestellt. Doch was passiert, wenn diese gemeinsame Zusammenarbeit gar nicht erst zustande kommt, z. B. weil der Arbeitnehmer sich dazu entscheidet, noch vor dem vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn vom Vertrag zurückzutreten? Was gibt es zu beachten und welche Konsequenzen drohen? Antworten darauf liefert die Rechtsanwaltskanzlei Zöller aus Münster und erklärt in diesem Zuge die wichtigsten Fakten.
Gründe für Kündigung nach Vertragsunterzeichnung gibt es zahlreich
Ein besseres Jobangebot mit attraktiveren Konditionen lockt oder plötzliche Veränderungen der privaten Situation machen den Arbeitsantritt unmöglich - es gibt zahlreiche Szenarien, in denen Arbeitnehmer ihre Entscheidung nach dem rechtskräftigen Vertragsschluss bereuen und widerrufen wollen. Aber auch seitens des Arbeitgebers kann der Entschluss gefasst werden, das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufzukündigen: Ein noch besser geeigneter Kandidat konnte gefunden werden oder die Verschlechterung der Geschäftslage erzwingt einen Einstellungsstopp.
Ist die vorzeitige Vertragskündigung möglich?
Solange im Arbeitsvertrag keine spezifischen Regelungen getroffen wurden, kann das Arbeitsverhältnis noch vor Beginn des vereinbarten Arbeitsantritts von einer der beiden Vertragsparteien aufgekündigt werden.
Der gesetzliche Kündigungsschutz nach § 1 des KSchG greift in diesem Fall nicht, da das Arbeitsverhältnis nicht „länger als sechs Monate bestanden hat“.
Wichtig ist, dass eine ordentliche Kündigung in schriftlicher Form eingereicht wird. Ferner sollte die Kündigungsfrist beachtet werden, die in der Regel vier, bzw. in der Probezeit zwei Wochen betragen kann. Umgangen werden kann die Kündigungsfrist seitens des Arbeitgebers durch einen sogenannten Aufhebungsvertrag, mit dem der Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis entlassen werden kann.
Was gibt es ferner zu beachten? Wann ist die Kündigung nicht möglich?
Es gibt aber auch Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig gekündigt werden kann. Grund sind zuvor getroffene Regelungen im Arbeitsvertrag, wie eine Kündigungsbeschränkung, welche eine Kündigung erst mit dem offiziellen Antritt am ersten Arbeitstag ermöglicht. Ferner kann eine vorzeitige Kündigung mit einer Vertragsstrafe sanktioniert werden. Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. August 2010 darf diese Strafe jedoch nicht das Bruttogehalt übersteigen, welches für die Zeit der Kündigungsfrist fällig geworden wäre. [1, 5]
Generell ist sowohl auf Seiten des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers eine vorzeitige Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses möglich. Zahlreiche Szenarien rechtfertigen einen derartigen Schritt, der allerdings nur unter Berücksichtigung diverser Faktoren, wie vertraglich geregelter Kündigungsbeschränkungen oder potenziellen Vertragsstrafen getätigt werden sollte.
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Schlechtes Arbeitsklima? Unzureichende Bezahlung? Unstimmigkeiten innerhalb des Unternehmens? Es kann verschiedene Gründe haben, warum Arbeitnehmer oder Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchten. Einer sofortigen Kündigung steht allerdings die gesetzliche Kündigungsfrist im Weg. Sollte das Arbeitsverhältnis hingegen im gegenseitigen Einvernehmen beenden werden, so kann dies durch einen Auflösungsvertrag bereits frühzeitig passieren.
Was ist unter einem Aufhebungsvertrag zu verstehen?
Im Normalfall wird ein Arbeitsverhältnis durch eine fristgerechte Kündigung beendet. In diesem Fall reicht der Wille einer Vertragspartei zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter den rechtlichen Gegebenheiten aus. Ein Aufhebungsvertrag hingegen sieht das Einverständnis beider Parteien vor. Sowohl Arbeitgeber als auch -nehmer müssen einwilligen, das Arbeitsverhältnis auflösen zu wollen. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Vertrag möglich. Darüber hinaus beinhaltet ein Aufhebungsvertrag oftmals die Zahlung einer Abfindung. Hier ist das Verhandlungsgeschick von Arbeitgeber und -nehmer entscheidend für die Abfindungssumme. Ebenfalls wird in einem Aufhebungsvertrag das exakte Datum festgehalten, zu welchem das Arbeitsverhältnis beendet wird, sowie die Regelung hinsichtlich restlicher Urlaubstage und eventueller Überstunden.
Was sind die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrages?
Personelle Umstrukturierungen oder auch persönliche Veränderungen sind nur einige der viele Gründe, warum sowohl Arbeitgeber als auch -nehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden möchten. Doch welche Vor- oder auch Nachteile bietet ein Aufhebungsvertrag? Zunächst ist festzustellen, dass durch einen Aufhebungsvertrag die gesetzliche Kündigungsfrist entfällt und beispielsweise ein neues Arbeitsverhältnis zeitnah eingegangen werden kann. Beide Parteien einigen sich auf einen Stichtag, zu dem das Arbeitsverhältnis beendet wird. Bei einer solchen Einigung entfällt daher der Kündigungsschutz, sodass der Arbeitgeber Vorgaben des Kündigungsschutzes nicht beachten muss. Darunter fallen beispielgebend die Berücksichtigung der sozialen Umstände des Arbeitnehmers oder einer Schwangerschaft. Der Betriebsrat ist eine weitere Instanz, dessen Mitspracherecht hinsichtlich eines Aufhebungsvertrages entfällt. Bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber prüft dieser, ob eine Weiterbeschäftigung im Betrieb in einer anderen Abteilung möglich wäre. Durch einen Aufhebungsvertrag kann der Arbeitnehmer jedoch die Bedingungen mitbestimmen, unter welchen er den Betrieb verlässt. Ferner bietet sich die Möglichkeit ein wirklich gutes Arbeitszeugnis zu erlangen, sofern der Arbeitgeber ein größeres Interesse daran hat, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Vom Arbeitnehmer muss beachtet werden, dass, sollte ein Aufhebungsvertrag falsch formuliert sein, oftmals eine Sperre des Arbeitslosengeldes von bis zu zwölf Wochen gemäß § 19 Abs. 1 SGB III droht, da in solchen Fällen häufig von der zuständigen Agentur argumentiert wird, der Arbeitnehmer hätte ja freiwillig eine bestehende Arbeitsstelle zulasten der Sozialkassen aufgegeben.
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